Großbritannien und die IS-Miliz - Muslime im Social-Media-Krieg

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Für britische Muslime ist es derzeit nicht einfach. Videos von Hinrichtungen und Twitter-Nachrichten, die zur Unterstützung der IS-Miliz aufrufen – und daran beteiligt sind britische Dschihadisten. Die muslimischen Gemeinden sind in Sorge. Ihnen wird auch vorgeworfen, dass sie diejenigen, die im Namen ihrer Religion handeln, nicht laut genug kritisieren. Bis jetzt.

Shaukat Warraich ist der Kopf hinter einer Videoserie, in der britische Imame die Islamisten und deren Version des Islams verurteilen. Darin sprechen sie den Kämpfern jegliche Rolle als Vertreter der Muslime ab. Die IS-Miliz sei dazu nicht qualifiziert. “Für mich ist es eine Terrororganisation”, sagt ein Imam.

Für Warraich sind diese Videos nur der Beginn eines neuen Kampfes: “Die muslimische Gemeinschaft hat sich intern gegen Extremismus ausgesprochen. Aber jetzt muss sie auch außerhalb der Gemeinschaft ihre Stimme erheben.” Es sei ein unkonventioneller Krieg, der bisher nicht geführt worden sei.“Es gab zwar immer Propaganda und Kommunikationswege, die beide Seiten nutzten”, erläutert er, “aber Nachrichten direkt an die Menschen zu senden, ohne irgendeinen Filter, direkt auf ihre Handys, das gab es bisher noch nicht.”

Doch können britische und andere europäische Gemeinden mit einer Gruppe konkurrieren, deren Videos vielen Regierungen Schauer über den Rücken jagen? Bilder von Gewalt, die zum größten Teil dank der sozialen Medien weltweit bekannt sind.

Denn viele IS-Videos gelten auch noch als qualitativ hochwertig produziert. Jamie Bartlett forscht über soziale Medien und hat ein Buch mit dem Titel “The Dark Net” geschrieben. Er betont, dass es nicht viel koste, professionelle Videos zu produzieren: “Dank der sozialen Medien ist es mittlerweile sehr, sehr billig, hochwertige Inhalte zu produzieren und sie zu verbreiten.” Dazu komme, dass viele Leute, die für IS-Medien arbeiten, junge, europäische Männer seien, denen die Produktion von ordentlichen Inhalten und Kampagnen in den sozialen Medien im Blut liege. “Der wirklich einzige Unterschied ist: Wir sind überrascht, weil es eine islamistische Gruppe ist, die so vorgeht”, so Bartlett.

Ein Krieg über die sozialen Medien, der von einer Gruppe entfesselt wurde, die einen islamischen Staat des siebten Jahrhunderts aufbauen will. Doch ihre Methoden sind die des 21. Jahrhunderts, erklärt die Forscherin Erin Saltman, die Online-Extremismus untersucht:
“Mit jedem produzierten Video entwickeln sie sich weiter. Abhängig von den internationalen Reaktionen auf ihre bisherigen Veröffentlichungen ändern sie auch ihre Selbstdarstellung.” Bisher hätten sie keine weitere Hinrichtung gezeigt, weil sie gemerkt hätten, dass die internationalen Medien gegen ihre Propaganda und ihre Rekrutierung vorgehen. “Sie nutzen das Opfer, um ihre eigene Geschichte weiterzuerzählen”, erklärt Saltman.

Tom Keatinge war früher Investmentbanker. Jetzt untersucht er die Finanzierung von terroristischen Organisationen. Für ihn sind die Extremisten Medienprofis. Die finanzstarke Organisation verdiente am Anfang ihr Geld unter anderem mit Erpressungen; nachdem sie mehr Terrain erobert hatten, mit Ölgeschäften.

Auch wenn es den Anschein habe, sei die IS-Miliz nicht aus dem Nichts gekommen, betont er. “Man muss wissen, dass die Wurzeln dieser Organisation zehn, fünfzehn Jahre zurückliegen und sie hatten genügend Zeit zu lernen, wie sie sich finanzieren und eine Machtbasis aufbauen können. Eine zuverlässige Finanzierungsquelle zu haben, bevor man sein Ziel weiter verfolgt, war etwas, was sie gelernt haben.” Al-Qaida sei 2006-2007 im Irak gescheitert, weil sie dies nicht gehabt hätten.

“In gewisser Weise sind das Lektionen aus der Finanzwirtschaft”, führt er aus, “wenn kleine Firmen größere übernehmen wollen, die viel Geld zur Verfügung haben, dann ist eine Möglichkeit, diese Firmen direkt anzugreifen – und das hat der sogenannte ‘Islamische Staat’ gemacht.” Er habe nach finanziell attraktiven Zielen gesucht – Städte, Ölfelder – und diese eingenommen.”

Schätzungen zufolge verfügt die IS-Miliz über rund 1,5 Milliarden Euro. Geld, das sie zum Waffenkauf und den Aufbau ihres Kalifats nutzen. Afzal Ashraf hat früher für das britische Militär im Irak gearbeitet. Seiner Meinung nach haben die Islamisten aus vielen Fehlern al-Qaidas gelernt. Anstatt den Westen anzugreifen, habe sie sich für den Feind in der Nähe entschieden.

“Die IS-Miliz hat al-Qaida verdrängt, weil sie etwas erreicht haben, woran al-Qaida gescheitert ist. Sie haben es geschafft, Gebiete einzunehmen – nicht, weil sie so eine starke Streitmacht haben, sondern weil die irakische Armee keine erfolgreiche Verteidigungsmacht ist”, erläutert er, “da sie diese politische und militärische Lücke ausgefüllt haben, kontrollieren sie viel Land und fühlen sich bereit, einen ‘Islamischen Staat’ und sogar ein islamisches Kalifat auszurufen.”

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